Projektabschluss im Mai 2022, Evaluation läuft
Wie wir denken hat einen großen Einfluss auf unsere Entscheidungen und in der Folge auch auf unser Handeln. Das ist bei jedem Menschen der Fall, bei verantwortlichen Führungskräften in Unternehmen und in der Politik hat es jedoch eine besonders große Auswirkung auf die Gestaltung ihrer Verantwortungsbereiche. Die Frage ist: wodurch wird das Denken geprägt? Und: Wie kann die Qualität des Denkens – und Entscheidens – gezielt verbessert werden?
Ausgangspunkt des Forschungsprojekts war eine spezifische Vertiefung der zertifizierten Lehrgänge „Train the Trainer für Mindful Leadership“ und „Systemische Organisations- und Wirtschaftsmediation“ von Concadora und der Universität Witten/Herdecke. Zielsetzung war die Entwicklung von Mindfulness im Denken. Durch intensives, methodisches Üben wurde in einem ersten Schritt die Fähigkeit zur Introspektion trainiert. Die Erforschung der eigenen Denkprozesse – deren vielfältige Determination, die Möglichkeiten, diese Determinationen aufzuheben sowie die Entdeckung von universalen Denknotwendigkeiten – bildete dann den zweiten Schritt. Dritter und letzter Schritt war die Anwendung unterschiedlicher Denkweisen in spezifischen Praxisfeldern und Problemkonstellationen.
Was ist Mindfulness im Denken?
Mindfulness im Denken, orientiert am Begriff der Metakognition (vgl. u.a. Beran et al 2012), bezeichnet die Fähigkeit, innere Spannungen zu managen und aus einer Überblicksposition auf die Erkenntnisprozesse zu blicken. Das umfasst die Wirkung gruppendynamischer Prozesse, den Effekt von Emotionen und Stressreaktionen auf das Denken ebenso wie den Einfluss kultureller Normen, eingeprägter Muster und Denkgewohnheiten.
Im Alltag liegt die Aufmerksamkeit ganz auf dem Resultat unserer Denkprozesse. Ziel des Jahrestrainings war es, die Schritte des Denkens selbst zu erkennen und bewusst gestalten zu lernen. Meditatives Training entwickelt dazu die grundlegenden Fähigkeiten i.S. eines inneren Aufwachens für die Prozesse des eigenen Denkens.
Forschungsansatz
Das Forschungsprojekt brachte drei Traditionen der Bewusstseinserforschung in einen Dialog:
- Psychologische Forschungstradition: Während der Etablierung der Psychologie als Wissenschaft war Introspektion eine selbstverständliche Methode der Forschung. Insbesondere die Würzburger Schule um Karl Bühler u.a. versuchte durch konkrete Experimente die Innenerfahrungen beim Denken zu erkunden. Diese Tradition der introspektiven Forschung verschwand für einige Jahrzehnte, wird aber zunehmend als wissenschaftliche Methode wiederentdeckt.
- Buddhistische Forschungstradition: Seit fast 2500 Jahren wird in buddhistischen Klöstern Vipassana (Einsichtsmeditation) praktiziert. Dabei geht es um die Erforschung des eigenen Geistes mit dem Ziel der Befreiung von leiderzeugenden Bewusstseinsvorgängen und um die Entwicklung innerer Freiheit. Diese Traditionslinie hat neben Erkenntnissen über die Funktionsweise des menschlichen Geistes auch viele Methoden des meditativen Forschens hervorgebracht. Die von Jon Kabat-Zinn inspirierte westliche Mindfulness-Bewegung schließt an diese Erkenntnisse und Methoden an. Die Rolle des Denkens in dieser säkularisierten Form der Achtsamkeitspraxis wird von buddhistischen Forscher:innen allerdings als klärungsbedürftig bezeichnet.
- Philosophische Forschungstradition: Die abendländische Philosophie war in der Antike vor allem Praxis und Übung. Sokrates, Platon und später die Philosophen der Stoa entwickelten dialogische und meditative Denkübungen, die auf Weisheit und ein gelingendes Leben ausgerichtet waren. Im Verlauf der Philosophiegeschichte wurde dieser Ansatz allerdings von einem inhaltlichen Fokus auf Theorie und Lehre verdrängt.
Etwas Neues trat auf, als Immanuel Kant und in seiner Nachfolge Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Ludwig Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel das menschliche Erkenntnisvermögen untersuchten. Insbesondere Fichte verließ die philosophische Lehrtradition, wenn er in seinen Vorlesungen zu Denkexperimenten im Stil der Naturwissenschaft anleitete und seine Theorie über das Denken in seiner Wissenschaftslehre auf die dabei gemachten Erfahrungen aufbaute. Fichte vertrat die Auffassung, dass durch Üben zuerst spezifische Fähigkeiten entwickelt werden müssen, um dann bestimmte Erfahrungen im Bereich des Denkens erforschen zu können. An dieses Vorgehen von Fichte schloss später Rudolf Steiner an, der bei seiner Untersuchung des menschlichen Erkenntnisvermögens nach „Beobachtungsresultaten nach naturwissenschaftlicher Methode“ strebte.
Besonderer Gast des Projekts war der Philosoph Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Rolle des begründenden Denkens als Kern menschlicher Freiheit und Vernunft. In dieses Feld gab Nida-Rümelin ausführlich Einblick.
Als erstes Resultat des Trainings- und Forschungsprojekts ist gegenwärtig ein Lehrgang in Kooperation mit der Universität Witten/Herdecke unter dem Titel „Mindful Facilitation“ in Entwicklung. Schwerpunkt dieser Ausbildung ist die Kompetenz, Denkprozesse in Teams beobachten, moderieren und visualisieren zu können, um konstruktive Zusammenarbeit, ausgehend von konstruktivem Zusammen-Denken, zu ermöglichen.